Der "Vaterländische Pilger“ und die liberale Langenthaler Presse
Die liberalen Strömungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegeln sich auch in der liberalen Druckertätigkeit in Langenthal. Bereits 1839 wird im Keller des alten Schulhauses bei der Kirche eine Druckerei eingerichtet. Möglicherweise steht diese im Zusammenhang mit dem Drucker und Verleger Irmel, welcher 1843 in Langenthal die Zeitschrift des deutschen religiösen Sozialisten Wilhelm Weitling „Die junge Generation“ herausgibt und dem Handwerksburschen im Frühling 1843 in Langenthal auch begegnet. Aus dieser Druckerei stammen auch Schriften des religiös-sozialistischen Zofinger Arztes Rudolf Sutermeister und des Kommunisten August Becker. Beide stehen auch mit dem Roggwiler Arzt Johannes Glur in Verbindung und bilden gemeinsam einen „liberal-kommunistischen“ Zirkel. Neben Irmels Druckerei, gibt es in jenen Jahren noch zwei weitere Druckereien. Die Manufaktur von Karl Hablützel verlegt Schriften von Johannes Glur, etwa sein Buch „Die Liebe und Leiden eines Freischärlers“ und die Druckerei von August Gyr. Gyr gibt ab 1841/ 1843 die einem radikalen Liberalismus verpflichtete Zeitung, der "Vaterländische Pilger“ heraus. Leider sind die ersten Jahrgänge der Zeitung verschollen. Vorhanden sind noch die Jahrgänge 1847, 1848 und 1850. Die Zeitung erscheint zwei Mal in der Woche, dienstags und freitags und kostet im Jahr 50 Batzen. Der Pilger kämpft für einen liberalen Bundesstaat und wendet sich vehement gegen die konservativen Strömungen im Land. In den Augen des Pilgers sind die Jesuiten die Exponenten der konservativen Strömung. Entsprechend wird das Blatt auch ein Kampfblatt gegen den Katholizismus im allgemeinen und die Jesuiten im besonderen. Im Pilger wird auch der geistige Hintergrund der Freischarenzüge besonders gut sichtbar.
1852 geht der „Vaterländische Pilger“ im etwas gemässigteren „Oberaargauer“ auf. Dieser wird von Gyrs Nachfolger, von J. Konrad herausgegeben. Der Oberaargauer erscheint bis 1967 als selbstständige Zeitung. 1865 wird ein weiteres liberales Blatt aus der Taufe gehoben. Es soll täglich erscheinen. Das „Tagblatt für den Oberaargau“, ab 1871 „Oberaargauer Tagblatt“ und schliesslich ab 1920 „Langenthaler Tagblatt“. Dieses nun täglich erscheinende Blatt fusioniert 1967 mit dem „Oberaargauer“ und erscheint bis 1980 als „Langenthaler Tagblatt und der Oberaargauer“ (bis 1980). Ab 1980 erscheint die Zeitung nur noch unter dem Namen „Langenthaler Tagblatt“. Den Gegenpol zu den liberalen Langenthaler Zeitungen bildet die 1858 auch aus einem freisinnigen Blatt („Oberaargauer Blatt“) hervorgegangene „Berner Volkszeitung“. Das Blatt wird um die Wende zum 20. Jahrhundert unter Ulrich Dürrenmatt zum geachteten kämpferischen Blatt der protestantischen Konservativen.
Weiterführende Literatur
- Simon Kuert: Johannes Glur, in Roggwil im Wandel der Zeit, 2006, S.17-56
- F. Rutschmann: Aus der Sonderbundszeit Langenthals, Langenthaler Heimatblätter, 1935, S.78 ff.
Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.
Bild:
Vaterländische Pilger