Hungersnöte sind keine Seltenheit
Schlechte Ernten kamen zwischen 1750 und 1850 immer wieder vor. Besonders verheerend wirkten sie sich aus, wenn auch in den benachbarten Gebieten nicht genügend Feldfrüchte geerntet werden konnten. Hohe Transportkosten sowie Spekulation liessen die Preise für die Grundnahrungsmittel massiv ansteigen. Wer über keine finanziellen Reserven verfügte, war auf fremde Hilfe angewiesen. Während in gewissen Teilen der alten Eidgenossenschaft ganze Haushaltungen verhungerten, wirkten sich in Langenthal weder die Hungerjahre von 1770/71 noch diejenigen von 1816/17 massiv auf die Sterblichkeit aus. Die Versorgungslage der Bevölkerung schien in Langenthal dank besonderen Armeneinrichtungen nicht schlecht gewesen zu sein.
Ab Januar 1771 wurden bis in den August hinein rund 10% der Haushaltungen von der Gemeinde zusätzlich mit Brot versorgt, weitere 6% erhielten gegen einen günstigen Zins ein Stück Land zugelost. 1816/17 waren es 43 arme Haushaltungen, die Kartoffeln erhielten, immerhin 10% aller Haushaltungen. Gleichzeitig wurde erstmals eine Sparsuppenanstalt eingerichtet. Freiwillige kochten an einem zentralen Ort im Dorf jeden Mittag Kartoffelsuppe, die an die Bedürftigen gratis verteilt wurde.
Am härtesten zu leiden hatte die Bevölkerung in den Hungerjahren zwischen 1847 und 1855. Der Kapitalismus führte den Menschen erstmals drastisch sein Werktagsgesicht vor Augen. Wer Geld oder Lebensmittelvorräte besass, gehörte zu den grossen Profiteuren. Diejenigen, welche Lebensmittel zukaufen mussten, gerieten häufig in eine Schuldenspirale, aus der sie aus eigener Kraft kaum mehr herausfinden konnten. Geradezu tragisch wirkte sich aus, dass ausgerechnet in der schlimmsten Zeit per Gesetz die öffentliche Armenfürsorge durch eine freiwillige private Wohltätigkeit ersetzt wurde. Es war auch die Zeit, als die Burgergemeinde das Auswandern von Burgerfamilien förderte, um deren Leben am Ort nicht finanzieren zu müssen.
Weiterführende Literatur
Alfred Kuert: Ein Dorf übt sich in Demokratie. Langenthal zwischen 1750 und 1850, Langenthal 1997
Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.
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Hungersnöte sind keine Seltenheit