Nach 568: Letzte Phase der Völkerwanderungszeit
Die Ausgrabungen im Hard (2000) haben gezeigt, dass die Region, besonders auch das Langenthaler Gemeindegebiet, vom Zug der Langobarden vom Donaugebiet nach Italien betroffen gewesen sein könnte (nach 568). In Grab 95 fand sich ein besonderer kunsthandwerklicher Gegenstand, nämlich eine so genannte S-Fibel. Dabei handelt es sich um einen paarweise getragenen Mantelverschluss, der bei Frauentrachten der Langobarden, die vor 568 im Donauraum gesiedelt hatten, verbreitet war. Der Schmuck zeigt ein zurückblickendes, schlangenartiges Seeungeheuer aus der spätrömischen Kleinkunst.
Man hat ähnliche Stücke auch in Kranj (Slowenien) und in Herten (Kr. Lörrach) gefunden. Weil auch in andern Teilen Süddeutschlands ähnliche Stücke zum Vorschein kamen, vermuten Archäologen, dass die Langobarden nach 568 auch in allemannisches Gebiet gezogen sind. Anlass zu dieser Vermutung geben auch zahlreiche Verbindungen zwischen Süddeutschland und dem langobardischen Italien in der Zeit zwischen 568 und 600.
Reto Marti, der im Band "Archäologie des Oberaargaus" das Frühmittelalter aufgearbeitet hat, meint, dass die Langenthaler Funde keine weiteren Indizien in diese Richtung geben. Deshalb müsse offen bleiben „ob die S-Fibeln gewissermassen als Mitläufer von Personengruppen aus dem süddeutschen Raum in den Oberaargau gelangt sind, oder ob sie gar auf die Präsenz von Langobarden zurückgehen. Es ist jedenfalls nicht auszuschliessen, dass die Region viel direkter vom Zug der Langobarden, der letzten grossen Phase der Völkerwanderungszeit betroffen war, als man gemeinhin annimmt.“ (Archäologie des Oberaargaus, S.150)
Literatur:
Archäologie des Oberaargaus, Sonderband des Jahrbuch des Oberaargaus, Langenthal 2010
Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.
Foto:
Die Langenthaler S-Fibel
Bild aus: Archäologie des Oberaargaus, S. 151