Langenthal und das Zisterzienserkloster St. Urban

1194 - 1808

Langenthal gehörte im 12. Jahrhundert zur Herrschaft der Freiherren von Langenstein. Als Stifter der Abtei St. Urban statteten diese die Abtei u.a. mit Gütern in Langenthal aus. Nach dem Aussterben der von Langenstein (1212) erhielt St. Urban von den Erben, vor allem von dem freiherrlichen Geschlecht der Familie von Balm und von den Grünenbergern weitere Schenkungen. Die Abtei litt aber unter Fehden und Prozessen (1226-57) gegen die ebenfalls in Langenthal begüterten kyburgischen Dienstleuten von Luternau. Diese bekämpften die wachsende Herrschaft der Abtei, verkauften ihr aber 1273-1276 ihren Besitz, so Twingrechte und ihr festes Haus (propugnaculum, vermutlich Reste der Fundamentmauern beim Bahnhof). 1279 war die Abtei gezwungen, Gericht und festes Haus den Freiherren von Grünenberg als Lehen zu überlassen. Später musste sie sich gegen deren Übergriffe auf das Klostergut wehren (Urteil von 1336). Ende des 14. Jahrhunderts, nachdem auch Thunstetter Güter zum Kloster gekommen waren, übte St. Urban die volle Ortsherrschaft über Langenthal aus. Die Hoch- und Blutgerichtsbarkeit lag ab 1313 bei den Grafen von Kyburg, den Landgrafen von Burgund. Als Bern 1406 die Nachfolge der Kyburger antrat, drängte es die Abtei 1413 zur vertraglichen Ausscheidung der beiderseitigen Gerichtsrechte. 1415 trat die Abtei in ein Burgrecht mit Bern. Im 16. Jahrhundert wurden die Gerichtskompetenzen der Abtei weiter beschnitten. Landvogt und Abt bestellten gemeinsam die zwölf Gerichtssässe. Bei schweren Fällen sass der Landvogt oder sein einheimischer Stellvertreter dem Gericht vor. Langenthal gehörte bis 1538 zwei verschiedene Kirchspielen an: Eine freiherrliche Eigenkirche (1197 erw., Patrone Maria und Erhard), deren Kirchensatz Eberhard von Grünenberg 1224 St. Urban geschenkt hatte, war für einen kleinen Teil der Bevölkerung am rechten Langetenufer zuständig. Trotz Glaubenswechsel (1528) übte St. Urban als Zehntbesitzer in Langenthal (ab 1396) das Patronatsrecht bis zum Verkauf an Bern 1808 aus. Ab der Reformation diente das kleine Gotteshaus auf dem Geissberg der ganzen Bevölkerung und wurde 1675-1678 durch die heutige Kirche ersetzt.

St. Urban verfügte ab 1224 über Wasser- und Fischereirechte an der Langeten. Damals leiteten die Mönche ausgangs des Zelgdorfs die Langete zur Bewässerung der Wiesen ostwärts nach Roggwil ab (heutiger Lauf), legten ihren Fischteich Im Weier und die bekannten Wässermatten an. Die wirtschaftlich und persönlich vom klösterlichen Grundherrn abhängigen Lehenbauern traten ab den 1420er und 30er Jahren als Bursami (Baursame) organisiert gegen die Abtei auf und forderten mehr Nutzungsrechte an Wäldern, Allmenden und an der Langeten (Wässerung, Fischfang).

Schiedsgerichtliche Urteile bestätigten indes zwischen 1444 und 1485 die Vorrechte der Abtei. Die Beziehung zur Abtei verbesserte sich erst, als Abt Sebastian Seemann (1535-1551) auf Begehren und unter Mitwirkung der Gemeinde ein umfassendes Twing-, Hof- und Dorfrecht (Twingrodel) aufstellte. Dieses erschwerte die Niederlassung von Zuzügern durch einen geforderten Leumundsausweis, eine Niederlassungsgebühr und das Näherkaufsrecht der Einheimischen. Ausserdem bezeugte es die doppelte Gemeindeorganisation, nämlich die Gemeinde der Hofbauern und die sogenannte ganze Gemeinde aller Einwohnern. Die Gemeindeversammlung, in der die Bauern trotz den durch Erbteilung immer kleiner werdenden Höfen noch die Oberhand hatten, war für die Dorf- und Flurordnung verantwortlich, die grundherrlichen Organe (Ammann, Bannwart, Vierer) mussten sie durchsetzen.

Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.

 

Bild: Die mittelalterliche Klosteranlage von Nordwesten. Datiert 1630. Aquarell auf Papier. Staatsarchiv Luzern.  
   

Zisterzienserkloster St. Urban