Johann Heinrich Pestalozzi und Langenthal
Am 26. April 1826 hielt Johann Heinrich Pestalozzi im Hotel Bären in Langenthal vor der Helvetischen Gesellschaft seine letzte Rede. Sie war dem Thema "Vaterland und Erziehung" gewidmet. In dieser Rede setzte sich Pestalozzi ein für eine menschengerechte Wirtschaft, die den Menschen, der mit seinen Händen ein Produkt herstellt, ins Zentrum stellt. Zudem machte sich Pestalozzi stark für eine neue Schule, die ihre Bildung auf die Kräfte und Anlagen des einzelnen Menschen ausrichtet und forderte ganz allgemein von der Gesellschaft den Willen zu einer allgemeinen Menschenbildung über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg. Als Pestalozzi in Langenthal sprach, befand sich die Wirtschaft am Ort in der Krise. Im 18. Jahrhundert hatte Textilproduktion und Textilhandel vielen Reichtum gebracht. Plötzlich führte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Globalisierung des Marktes und die mechanische und fabrikmässige Stoffproduktion dazu, dass man in Langenthal nicht mehr konkurrenzfähig war und die lokale Wirtschaft mehr Arbeitslose und Arme produzierte. In dieser Situation hatte die Forderung nach einem menschengerechten Wirtschaften einen besonderen Klang. Auch die Hoffnung auf ganzheitliche Bildung in neuen politischen Strukturen. Der politische Umschwung, der einige Jahre nach der Rede Pestalozzis (1831) zur ersten demokratischen Verfassung im Kanton führte, wurde in Langenthal freudig begrüsst und 1833 (genau vor 175 Jahren) brachte der neu erwachte Schul- und Bildungseifer in Langenthal die Gründung der ersten Sekundarschule im Kanton Bern. Diese bezweckte unter anderem das, was Pestalozzi in seiner Rede forderte: "Erziehung zu Gemeinsinn und Vaterlandsliebe!" - Pestalozzi ist ein bedeutender Mann der Schweizer Geschichte. Das, wofür er kämpfte, ist aber immer noch aktuell. Sowohl im gegenwärtigen Wirtschaftsleben, im Bildungswesen wie auch im Gemeinwesen.
Nicht Geld, Strukturen und Macht– vielmehr der einzelne Mensch mit seinen Bedürfnissen, seinen Kräften, seinen Anlagen ist Massstab sowohl für das wirtschaftliche wie auch für das politische Handeln. Für diesen Massstab steht Langenthal auch heute ein. Deshalb wurde am 10. April 2008 in einer Feier mit dem Bundespräsidenten Pascal Couchepin an Johann Heinrich Pestalozzi und an seine Langenthaler Rede erinnert. Der Bundespräsident enthüllte dabei eine Erinnerungstafel.
Weiterführende Literatur:
- Stadt Langenthal/Ammann Unternehmungen: Johann Heinrich Pestalozzis Langenthaler Rede in der Helvetischen Gesellschaft am 26. April 1826
- Simon Kuert: Pestalozzi und Langenthal, in Jahrbuch des Oberaargau, 2009
Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.
Bild:
Erinnerungstafel beim Hotel Bären, enthüllt durch Pascal Couchpin anlässlich der Pestalozzifeier vom 10. April 2008 in Langenthal