Langenthal in schwieriger Zeit
Der Ausbruch des 2. Weltkrieges unterbrach auch in Langenthal das normale Dorfleben. Zahlreiche Männer mussten einrücken und die Organisation des Alltags lastete vielerorts auf den Schultern der Frauen. Langenthal wurde in der Nachkriegszeit immer wieder bezichtigt, besonders nazifreundlich gewesen zu sein. Warum? Als das nationalsozialistische Deutschland 1942 grosse Teile Europas, des Mittelmeeres und Ostasiens beherrschte und Hitler vom „Endsieg“ sprach, übertrug sich diese Euphorie auch auf Hunderttausende in der Schweiz lebende Deutsche. In Langenthal arbeiteten viele deutsche Arbeitnehmer in der Industrie. Vor allem die Porzellanfabrik Langenthal war seit ihrer Gründung auf Facharbeiter aus Böhmen und Deutschland angewiesen. Aus Kreisen dieser Facharbeiter entstand in Langenthal eine nazistische Ortsgruppe, die mit Solothurn vernetzt war. Noch heute kursieren Gerüchte, dass diese Gruppe in Langenthal den Bau eines Konzentrationslagers plante. In den elektrischen Tunnelöfen der Porzellanfabrik sollten analog Ausschwitz Nazigegner verbrannt werden. Die Gerüchte sind aber nachträgliche Konstruktionen. Als erste Nachrichten von Verbrennungen in die Schweiz gelangten (Ende 1942) war die Nazieuphorie schon am Verblassen und die Langenthaler Nazis hatten keinen Grund mehr zum Rühmen! –
Tatsache ist, dass die Naziortsgruppe Listen von Nazifreunden und Nazigegnern führte, dass 1941/1942 die Firma Gugelmann zehn Hitleranhänger an die Grenze stellte, dass 1944 bei Hausdurchsuchungen Geheimpläne zum Vorschein kamen und dass die Berner Regierung 1945 ein halbes Duzend Deutsche aus Langenthal auswies.
Langenthal war aber kein Nazinest, wie oft behauptet wurde und wird. Im Gegenteil. Die damals 8'000 Einwohnerinnen und Einwohner standen treu zu ihrer Heimat. Da wirkten tausende von Männern im langen, bis 800 Tage dauernden Aktivdienst und viele tapfere Frauen in Haus und Hof, Geschäft und Fabrik. Alle mussten unter dauernden Einschränkungen (Rationierung, Verdunkelung und ständiger Ungewissheit) ihre Überlebensstrategien entwickeln. Schliesslich ist zu erwähnen, dass Langenthal während des Krieges auch Waffenplatz war (Altes Schulhaus: Kaserne der Flab-Rekruten) und mehr als 70 Firmen und Private Boden und Flächen für den Anbau von Getreide und Gemüse zur Verfügung stellten.
Weiterführende Literatur
- Museum Langenthal: Langenthal in schwieriger Zeit, 1933-1945, 2007
- Jufer/Kuert: Langenthal war kein Nazi Nest, Langenthaler Tagblatt/Berner Zeitung, 23. Januar 2009
Dieser Text wurde von Langenthals ehemaligem Stadtchronisten Simon Kuert verfasst.
Bild:
Altes Schulhaus Geissberg.
Kaserne im 2. Weltkrieg.